Im Fluss der Zeit

Die Kleine Schliere und ihre Nebenbäche sind unberechenbare Fliessgewässer. Bei starken Regenfällen schwellen sie schnell an und verursachen seit jeher Überschwemmungen und Übersarungen im Talgebiet, denen die Bevölkerung der Gemeinde Alpnach oft machtlos gegenüberstand.

Mehr Sicherheit für Anwohnerschaft und Gewerbe

Bereits seit mehr als 100 Jahren werden die Bachgerinne mit Verbauungen und Korrektionen ausgebaut und gezähmt. Nach einer schlimmen Unwetter-Serie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen unsere Urgrosseltern mit umfangreichen Verbauungen im Einzugsgebiet und dem Kegelgebiet der Kleinen und der Grossen Schliere.

So wurde zwischen 1900 und 1930 der Geschiebetriebkanal von der Chlewigen bis zu den Geschiebesammler Chilcherli und Städerried erstellt. Im Laufe der Jahrzehnte verschlechterte sich die allgemeine Bausubstanz, so dass 1997/1998 erste Sanierungsmassnahmen am Kanal nötig waren.

Nachdem jahrzehntelang der Geschiebetriebkanal seine Funktion erfüllte und keine Vorfälle mehr zu verzeichnen waren, rückte das Dorf immer näher an die Kleine Schliere heran. Das Hochwasserereignis im August 2005 verursachte grosse Schäden an den Bauwerken und zeigte, dass Massnahmen dringend notwendig sind. So wurden als Sofortmassnahme 2006 im Abschnitt zwischen Kantonsstrassen- und Zentralbahnbrücke sechs besonders stark geschwächte Schwellen ersetzt.

Mit der Auflösung der Wuhrgenossenschaft Kleine Schliere im Jahr 2010 wechselte das Projekt in die Verantwortung der Gemeinde Alpnach und wird seither intensiv vorangetrieben.

Zwischen 2011 und 2013 wurden unterhalb der Brünigstrasse insgesamt 19 Schwellen neu erstellt. Weitere Massnahmen des Projekts beinhalteten die Erneuerung und Sanierung der Leitwerke und die Sanierung des Übergangs Kanal/Geschiebesammler inkl. Bau eines Fischaufstiegs 2013–2014. Die Kosten für das Projekt beliefen sich auf total 1,7 Mio. Franken. Sie wurden im Rahmen des Grundangebotes Wasserbau durch Bund und Kanton mit 70% mitsubventioniert. Die Gemeinde trug den Restbetrag von 30%.

Heute sind im gefährdeten Gebiet rund 3’500 Personen, 80 Firmen, ein Schulhaus und ein Altersheim angesiedelt. Ohne die Realisierung der Schutzmassnahmen stehen sämtliche Gebäude links und rechts des Kanals und in der näheren Umgebung der Kleinen Schliere in grossflächigen Gefahrenzonen. Dies bedeutet für viele Eigentümer «Bauen nur mit Auflagen» und für Liegenschaften im näheren Bereich ein Bauverbot.

Die aktuelle Gefahrenkarte zeigt die Situation mit den drei Gefahrenstufen.

20 Jahre Projektplanung

Im Jahr 2001 erarbeitete die damalige Wuhrgenossenschaft Kleine Schliere zusammen mit der Gemeinde Alpnach ein integrales Sanierungskonzept für die Kleine Schliere. Es entsprach dem damaligen Stand der Gefahrensituation und den Anforderungen an Wasserbauprojekte. Vorgesehen waren Schutzwaldpflege, verschiedene Instandstellungen von bestehenden Schutzbauten, neue Bauwerke und eine Entlastung des Kanals mit einem einfachen Entlastungskorridor. Dafür sprachen die Wuhrgenossenschaft und die Gemeinde im Jahr 2003 einen Kredit von insgesamt 12,125 Mio. Franken; verschiedene dieser Massnahmen wurden seither schon ausgeführt.

Seit den ursprünglichen Projektbeschlüssen veränderten sich die Rahmenbedingungen massiv. Die Hochwasser in den Jahren 2005 und 2013 zeigten, dass die 93 Schwellen im Schlierenkanal zwingend verstärkt werden müssen. Modellversuche der ETH Zürich ergaben, dass ein Entlastungsbauwerk im Gebiet Chlewigen viel umfangreicher ausfallen müsse, als geplant.

Ebenfalls neue Anforderungen an das Hochwasserschutzprojekt stellten 2008 die Einführung der Neugestaltung Finanzausgleich/Aufgabenteilung zwischen Bund und Kanton (NFA) und das revidierte Gewässerschutzgesetz des Bundes im Jahr 2012. Dieses verlangt eine Renaturierung des Unterlaufs der Kleinen Schliere, die Sanierung des Geschiebehaushalts sowie einen Fischaufstieg bis ins Gebiet Chlewigen. Damit stiegen die Anforderungen an das Projekt nochmals erheblich an.

Die Häufung von grossen Wassermengen in den letzten 40 Jahren, so beispielsweise 1982, 1988, 2005 und 2013, brachten den Projektverantwortlichen die bittere Gewissheit, dass die bestehenden Hochwasserschutzmassnahmen den entfesselten Elementen in Zukunft zu wenig Einhalt gebieten können.

Nach rund 20 Jahren Planen und Projektieren, nach Modellversuchen sowie Anpassungen aufgrund von neuen Anforderungen und veränderten Rahmenbedingungen konnte die Gemeinde Alpnach der Öffentlichkeit 2019 ein bewilligungsfähiges und subventionsberechtigtes Hochwasserschutzprojekt Kleine Schliere präsentieren.

Der politische Prozess

Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Gemeinde Alpnach haben am 24. November 2019 an der Urne über das Projekt Hochwasserschutz Kleine Schliere mit einem Objektkredit von 35,25 Mio. Franken und einem Gemeindebeitrag zwischen 5,84 und 9,75 Mio. Franken (je nach Kostenbeteiligung durch den Bund) entschieden. Mit einer Stimmbeteiligung von 35,61% wurde die Vorlage mit 962 Ja zu 496 Nein-Stimmen deutlich angenommen (siehe 191124_Botschaft_zur_Urnenabstimmung_zweiter Teil ? ).

Nachdem der Kantonsrat unter der Bedingung, dass auch der Bund entsprechende Beiträge leistet, an seiner Sitzung vom 28. Mai 2020 einen Kantonsbeitrag von maximal 10,2 Millionen Franken an das Hochwasserschutzprojekt Kleine Schliere in Alpnach gutgeheissen hat, wurde das Projekt öffentlich aufgelegt.

Anschliessend erfolgte die Einreichung des Subventionsgesuches an das Bundesamt für Umwelt. Mit Freude konnten die Mitwirkenden Mitte Februar 2025 die Subventionsverfügung des Bundesamtes für Umwelt BAFU mit dem Maximalbeitrag von 65% an die anrechenbaren Kosten zur Kenntnis nehmen. Damit ist der letzte offene Punkt für die Realisierung des Projekts, die Finanzierung, abschliessend geregelt: Der Bund leistet wie erhofft einen Beitrag von 65%, der Kantonsbeitrag liegt damit bei 21,5% und die Restkosten der Gemeinde bei 13,5%. Gleichzeitig konnte auch eine erste Belegsabrechnung über alle aufgelaufenen Kosten seit 2006 mit dem Bund und Kanton gemacht werden.

Nun ist es Zeit, dieses Bauwerk umfassend zu sanieren und den Hochwasserschutz mit einem Entlastungsbauwerk und einem Entlastungskorridor massiv zu verbessern. Der Spatenstich erfolgt am 29. September 2025.

Das Gebiet Chlewigen mit der Bogenbrücke beim Hochwasser 2005.

Starke Regenfälle sorgen für viel Wasser aus dem Einzugsgebiet. Murgänge entlang der Kleinen Schliere bringen zusätzlich Geschiebe und Holz in das Gewässer ein und können die Wassermassen kurzfristig aufstauen.

Im Geschiebetriebkanal bilden sich Schwallwellen. Sie reissen mit gewaltiger Kraft am Bauwerk des Kanals.